Die Filme der Augsburger Puppenkiste® genießen seit Jahrzehnten Kultstatus. Aber wie kamen die Marionetten eigentlich ins Fernsehen?
Begonnen hatte alles mit einer Ausstellung Augsburger Firmen, auf der Oehmichens Marionetten auftraten. Unter den Besuchern war der Leiter des noch jungen NWDR, und der war noch auf der Suche nach neuen Ideen. Am 21. Januar 1953 war es soweit, und die Geschichte Peter und der Wolf flimmerte live in die Wohnzimmer.
Bald wechselten die Puppen zum neu gegründeten Hessischen Rundfunk. Die erste Sendung aus Frankfurt war Bällchen Schnellchen, und von da an wurde gemeinsam bis Mitte 1956 produziert. Wie beim NWDR sendete auch der HR ausschließlich live, da es noch keine gebrauchsfähige Aufzeichnungstechnik gab. Mitte 1956 hatte sich die Programmdirektion des HR dazu entschlossen, künftig auf ihr Kinderprogramm zu verzichten, und der Bayerische Rundfunk übernahm die Produktion mit uns.
Drei Jahre später nahm der HR sein Kinderprogramm wieder auf, holte sein Zugpferd zurück, und es entstand der Mehrteiler Die Muminfamilie. Für die Dreharbeiten reiste immer ein Team des Hessischen Rundfunks für etwa zwei Monate nach Augsburg. Diese Drehtermine waren innerhalb des HR immer sehr begehrt: Ein Schreiner, ein Dekorateur, ein Maler, ein Toningenieur, zwei Kameraleute, ein Kamera-Assistent, drei Beleuchter - die Arbeit mit der Puppenkiste war auch für den HR eine Produktion, die ein relativ großes Aufnahmeteam erforderte. Drei bis vier Sendeminuten war das laut Drehplan vorgegebene Tagespensum. Eingeteilt in Schauplätze und aufgelöst in einzelne Einstellungen, wurde das vertonte Drehbuch zur Arbeitsgrundlage. Wegen der Scheinwerfer mussten die Puppenspieler auf ihren Spielbrücken bei Temperaturen von manchmal über 60 Grad arbeiten. Bis 1994 dauerte die Zusammenarbeit zwischen der Augsburger Puppenkiste® und dem Hessischen Rundfunk.
Den Durchbruch erlebten wir in den 60er-Jahren: Waren die Muminfamilie, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer zwischen 1959 und 1962 noch in schwarz-weiß zu Stars, nahmen die Bilder in der Flimmerkiste ab 1965 Farbe an: Die ersten Produktionen in Farbe waren die Löwe-Trilogie, Räuber Hotzenplotz (1967), Bill Bo und seine Kumpane (1968) und Urmel aus dem Eis (1969). Ab diesem Zeitpunkt wurden alle weiteren Puppenkiste-Produktionen farbig verfilmt.
Besonderer Beliebtheit erfreuten sich unsere Adaptionen der Geschichten von Max Kruse. Aus seiner Feder stammen der Löwe, das Urmel, Don Blech und Lord Schmetterhemd ursprünglich – Manfred Jenning verarbeitete die Stoffe für uns zu Drehbüchern.
Ein weiterer Star hatte 1977 seinen ersten großen Auftritt bei uns: das Sams. In Eine Woche voller Samstage erwachte der freche Rotschopf samt Herrn Taschenbier und Frau Rotkohl für die Augsburger Puppenkiste® zum Leben.
Als Paul Maar 1980 mit Am Samstag kam das Sams zurück seinen zweiten Sams-Roman veröffentlichte, brachten wir die Geschichte sofort auf die Bühne. Neben dem Sams verzauberten in den 80ern auch die Fünf auf dem Apfelstern (1981), die Katze mit Hut (1982) und der kleine Roboter Schlupp vom grünen Stern (1986/87) die kleinen und großen Fernsehzuschauer.
1996 wagten wir uns schließlich vom Fernsehbildschirm auf die Kinoleinwand: Zusammen mit Warner Bros. inszenierten wir Die Story von Monty Spinnerratz. Der Film begleitet die kleinen Ratten Monty und Isabella bei ihrer Suche nach der Heilpflanze Sambucina, die sie brauchen, um die Ratten von New York zu retten. 1997 wurde Die Story von Monty Spinnerratz der Bayerische Filmpreis in der Kategorie Bester Kinderfilm verliehen.
Des Kinoerfolgs zum Trotz blieben wir auch dem Fernsehen treu: 2000/01 produzierten wir die 13-teilige Serie Lilalu im Schepperland, die auf Motiven von Enid Blytons Browny Tales beruht. Das Drehbuch dazu schrieb Peter Scheerbaum, der auch bereits bei Monty Spinnerratz mitgewirkt hatte.
Unsere inzwischen große Star-Familie wuchs wenig später um ein weiteres Mitglied: Der Schlaubär Ralphi erklärte ab 2005 Kindern die Welt im Wissenssender BR-alpha. Nicht selten wurde er dabei vom Kasperl begleitet.
Apropos Kasperl: Der durfte mit uns ein Jahr zuvor eine Dokumentation über unsere wunderschöne Heimatstadt Augsburg drehen. In Augusta Kasperlicorum (2004) führt der Kasperl durch die Fuggerstadt und weil ihm das so viel Freude bereitet hatte, moderierte er 2006 gleich die nächste Dokumentation: Augusta Mozarteum.
Mit der Verfilmung unseres Kabaretts sorgten wir an Silvester 2005 für ganz besondere Neujahrsfreude bei unseren Fans und versüßten diese im folgenden April mit Verfilmungen unserer Kabarett-Musiknummern für BR-alpha.
Die 2010er-Jahre begannen zunächst für uns im Fernsehen: Für den Bayerischen Rundfunk filmten wir 2013 kleine Satirestücke für seine Sendung BR Freitag auf d’Nacht. 2016 kam die Augburger Puppenkiste® wieder ins Kino: Judith Gardner adaptierte Die Weihnachtsgeschichte liebevoll in fünf Akten und brachte Kinderaugen in ganz Deutschland und Österreich zum strahlen. Die Weihnachtsgeschichte wurde durch die Deutsche Film- und Medienbewertung mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet.
Auch im Jahr darauf verzauberten unsere Puppen mit Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel (2017) die Kinosäle. Dieser zweite Weihnachtsfilm, der auf dem gleichnamigen Kinderbuch der Bestseller-Autorin Cornelia Funke basiert, war aber noch nicht der letzte. 2018 inszenierten wir Charles Dickens‘ berühmte Geschichte A Christmas Carol als Kinofilm Geister der Weihnacht.